Beton reicht nicht aus
Beton alleine ist ein guter Werkstoff, um Druckkräfte aufnehmen zu können. Reine Betonbauteile sind dennoch im Hoch- und Tiefbau selten zu finden. Selbst bei einer rein vertikalen Belastung treten in einem Betonkörper Zugspannungen auf. Gegen diese ist der Werkstoff machtlos und reißt sehr schnell ein. In der Nähe von Feuchtigkeit ist dies besonders fatal. In die Risse dringt Wasser ein, welche beim nächsten Frost zu Eis gefrieren. So kann auch das mächtigste Betonfundament binnen weniger Jahre zersplittern.
Aus diesem Grund wird Beton mit Stahl armiert. Die Kombination aus Beton und Stahl ist aus mehreren Gründen ideal. Der wichtigste Grund ist, dass beide Werkstoffe den gleichen Wärmedehnungskoeffizienten besitzen. Das bedeutet, dass sich Beton und Stahl unter Wärmeeinfluss im gleichen Maße ausdehnen und wieder zusammen ziehen. Wäre das nicht der Fall, würden die inneren Spannungen den Baukörper zerreißen. Ein weiterer Grund ist, dass der Beton auf den Stahl eine konservierende Wirkung hat. Er stoppt den Korrosionsprozess, sodass zusätzliche Maßnahmen zu Rostschutz nicht erforderlich sind. Die Voraussetzungen dazu sind jedoch, dass der Zementanteil und die Abdeckung hoch genug sind.
Viele Faktoren für den perfekten Grundbau
Um einen Baukörper zu finden, der für den angedachten Zweck ideal ist, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Zunächst muss die Statik alle Kraftlinien identifizieren, entlang derer Zugspannungen auftreten werden. Entlang dieser Kraftlinien wird die Armierung verlegt. Diese muss in Querschnitt, Länge und Werkstoff dazu ausgelegt sein, um diese Kräfte dauerhaft aufnehmen zu können. Gleiches gilt für den Beton. Zementanteil, Zementsorte, Wasser/Zementwert und Zuschlagsstoffe müssen so gewählt sein, dass sie die auftretenden Druckkräfte aufnehmen können. Da man sich nicht nur rein theoretisch auf die ermittelten Werte verlassen möchte, werden vor dem Einbau der Tiefgründung Probenwürfel erstellt. Diese werden im Labor auf ihre Belastungsgrenze hin untersucht.
Statische Probenbelastung für einfache vertikale Belastung
Bei der statischen Probenbelastung wird ein Probewürfel in einer hydraulischen Presse eingespannt und so lange belastet, bis er zerbricht. Die Bruchgrenze ist die maximale Belastung, welche diese Betonmischung aushalten kann. In der Baupraxis bleibt man weit unterhalb dieser Grenze, um genügend Sicherheiten zu haben. Das bedeutet, dass die Belastung geringer oder der Grundbau größer gewählt wird, als es die Statik des Gebäudes erfordert. Dieses Verfahren ist für einfache, massive Gebäude mit eingeschränkter Höhe ausreichend. Ein- und Mehrfamilienhäuser mit wenigen Etagen kommen deshalb mit Standard-Fundamenten bzw. Bodenplatten aus. Anders ist es aber, wenn hohe, schlanke und turmartige Gebäude errichtet werden sollen.
Kritischer Faktor Wind
Bereits die Baumeister der Renaissance sahen sich mit einem gravierenden Problem konfrontiert, welches besonders den Bau von Kathedralen und Dome erheblich erschwerte. Ab einer gewissen Höhe wurden die Gebäude instabil und stürzten ein. Das Problem ließ sich auch mit noch so dicken Außenwänden nicht lösen. Außerdem standen diese dem Wunsch nach hohen Fenstern entgegen. Eine Lösung der damaligen Zeit waren Stützwände, die im rechten Winkel zur Außenwand angebaut wurden. Diese stemmen sich bis heute den Windkräften entgegen und halten das Gebäude im Gleichgewicht.
Die Idee der Stützwände ist gut, wenn das Gebäude groß genug ist. Sie ist jedoch auch sehr teuer. Viel Baumaterial muss für die horizontale Abstützung verwendet werden. Diese kosten Grundfläche und nehmen Licht. Moderne Gebäude lösen dieses Problem deshalb über die Tiefgründung durch Pfähle. Doch dabei müssen weitere Herausforderungen gemeistert werden.
Dynamische Probenbelastung für komplexe Beanspruchung
Die Statik kennt drei Formen der Belastung:
- ruhend
- schwellend
- wechselnd
Die ruhende ist identisch mit der statischen Belastung. Die Kräfte wirken sauber senkrecht in die Fundamente und ändern sich kaum. Bei der schwellenden und wechselnden Belastung wechseln sich die Druckkräfte jedoch mit Zugkräften ab.
Bei der schwellenden Belastung wirken die Kräfte bis zu einem gewissen Punkt und nehmen dann wieder ab. Bei der wechselnden Belastung kommen die Kräfte aus einer bestimmten Richtung, wirken bis zu einem gewissen Punkt aber können um den gleichen Faktor in die gegenteilige Richtung wirken.
Eine Brücke ist ein typisches Beispiel für eine schwellende Belastung. Ein Zug, der sie überfährt, presst die Fundamente bis zu einem bestimmten Punkt zusammen. Verlässt der Zug die Brücke, entlastet sich der Grundbau wieder. Anders ist es beispielsweise bei Windkraftwerken. Hier wird die Tiefgründung je nach Windrichtung einmal von der einen und einmal von der anderen Seite belastet. Die Pfähle der durch Druck belasteten Seite müssen die gleichen Kräfte auch aufnehmen können, wenn sie auf Zug belastet werden.
Rein statisch betrachtet, sollte ein Grundbau mit ausreichender statischer Belastbarkeit auch mit der dynamischen Beanspruchung zurechtkommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Schwellende und vor allem wechselnde Belastungen wirken wesentlich zerstörerischer auf die Tiefgründung als eine ruhende, statische Belastung. Eine so belastete Pfahlgründung muss auf ein Vielfaches genauer auf die wirkenden Kräfte ausgelegt sein, als eine lediglich statisch belastete Pfähle.
In der Prüfung werden die Probenwürfel deshalb nicht nur auf Druck und auf Zug, sondern auch auf wechselnde Belastung hin geprüft. Dabei wird eine Vielzahl an Kombinationen getestet.
Extremfall Windkraft
Der Grundbau einer Windkraftanlage ist eine der anspruchsvollsten Ausführung der Gründung durch Pfähle. Lassen sich bei statischen und schwellenden Belastungen die Pfähle einfach oberhalb bebauen, müssen sie bei diesem Anwendungsfall formschlüssig mit dem Oberbau verbunden sein. Dies erreicht man durch armierte Betonpfähle, die nach dem Einrammen wieder aufgebrochen werden. Die Pfähle werden mehrere Meter tief und in verschiedenen Winkeln in den Erdboden gerammt. Anschließend wird die Spitze der Pfähle mit einem Betonbrecher wieder so aufgebrochen, dass die Armierung frei liegt. Danach wird diese offengelegte Armierung mit der Armierung der Tiefgründung formschlüssig verbunden und anschließend mit Beton verfüllt. Der Grundbau wird damit zu einem monolithischen Baukörper, welcher die wirkenden Kräfte der Windkraftanlage von allen Seiten gleichermaßen gut aufnehmen kann. Diese Form der Pfahlgründung eignet sich besonders gut in sandigen Untergründen mit eingeschränkter Tragfähigkeit. Was der Boden durch statische Belastung nicht aufnehmen kann, das wird durch die Reibkräfte entlang der eingerammten Pfähle ausgeglichen. Ein Unternehmen, welches dieses Verfahren äußerst erfolgreich anwendet, ist der Marktführer für getriebelose Windkraftanlagen ENERCON aus Aurich. Nur über diese Form der Pfahlgründung ist es möglich, Windkraftanlagen mit einem Durchmesser von über 100 Metern auf sandigem Untergrund zu errichten, wie er für die Nordseeküste typisch ist.
Professionelle Pfahlgründung mit Qualitätskontrolle
Spätestens bei der dynamischen Belastung sollte keinesfalls mehr auf einen Labornachweis verzichtet werden, mit dem die Tragfähigkeit des gewählten Gründungsverfahrens nachgewiesen werden kann. Eine Probenkontrolle aus einem zertifizierten Labor mit ordentlicher Dokumentation stellt im Zweifelsfall sicher, dass man seiner Sorgfaltspflicht vollumfänglich nachgekommen ist. Verzichtet oder umgeht man diese Kontrollen, kann sich dies nur massiven Risiken auswachsen, welche im schlimmsten Fall sogar lebensgefährlich sein können.